Digitale Teilhabe - Warum tun wir uns so schwer?

Wir sprechen über autonome Flugzeuge, Metaverse, Chips im Körper – aber wir sprechen nicht davon, dass mehr als 10 Millionen Menschen (!) auf Barrierefreiheit, inklusiver Leichter Sprache, im Netz angewiesen sind.

Wir sprechen auch nicht davon, dass ein Großteil der Unternehmen das Thema Barrierefreiheit ignoriert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Barrierefreiheit wird schlichtweg vergessen, ist kein fester Projektbestandteil und häufig wird sie aus Kostengründen ignoriert. Überspitzt könnte man auch sagen: Jedes noch so kleine Feature wird eher umgesetzt, als dass man sich um Barrierefreiheit inklusive Leichte Sprache kümmert. Ein Gesetz soll Unternehmen, Banken und Versicherungen nun ab 2025 dazu verpflichten, ihr Online-Angebot barrierefrei anzubieten. Es gilt eine Übergangsfrist von nochmals fünf Jahren. Die Regelung gilt allerdings nur für Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28. Juni 2025 angeboten werden.

 

Was bedeutet Barrierefreiheit? 

Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen ein Web-Angebot unabhängig von ihren gesundheitlichen Einschränkungen und ihren technischen Möglichkeiten nutzen können. Beispielsweise können gehörlose oder schwerhörige Nutzer*innen Videos ohne Untertitel nicht nutzen. Menschen mit einer Sehbehinderung erkennen Texte oder Formularfelder schlecht, wenn sie sich nur gering vom Hintergrund abheben.

 

Wie setzt man eine barrierefreie Website um? 

Bei der Umsetzung müssen folgende Punkte beachtet werden: 

  • Design: Beim Design muss ein deutlicher Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund geschaffen werden. Bei der Farbauswahl muss die Rot-Grün-Schwäche, die einige Menschen haben, berücksichtigt werden. Die Schriftgrößen müssen anpassbar sein.
  • Navigation: Was eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist für Menschen mit Beeinträchtigungen besonders wichtig: Eine verständliche Navigationsstruktur, die  Nutzer*innen intuitiv bis zur gewünschten Information führt. Dies unterstützt zudem die Bedienung der Seite per Tastatur und der Sprachauswahl, denn die ist besonders hilfreich für Menschen mit Sehbehinderungen oder motorischen Schwierigkeiten.
  • Bilder, Videos und Buttons: Große Buttons und hervorgehobene Links sind essentiell für eine barrierefreie Website. Grundsätzlich müssen die Inhalte auf der Seite auch ohne Bilder, Grafiken und Videos für Nutzer*innen verständlich sein. Werden sie eingesetzt, muss für jedes Bild ein Alternativtext eingepflegt werden, um den Bildinhalt zu erklären. Auch Video- und Audiodateien kommen nicht ganz ohne Text aus. Erklärende Untertitel sind das A und O.
  • Geräteunabhängigkeit: Die Website muss auf unterschiedlichen Devices funktionieren, d.h. die Inhalte müssen sowohl auf dem Desktop als auch mobil verfügbar sein. Zudem müssen die Voraussetzungen für den Einsatz eines Screen Reader geschaffen werden.
  • Sprache: Damit allen Nutzer*innen den Inhalt verstehen, müssen die Texte in Einfacher und Leichter Sprache geschrieben werden. 

 "Es ist kompliziert“, sagt sie. „Alles ist kompliziert, wenn es Einem niemand erklärt“. 

(Quelle: „Oma lässt grüßen und sagt es tut ihr leid“, Fredrik Backman)

 

 

Was ist der Unterschied zwischen Leichter und Einfacher Sprache?

Barrierefreie Kommunikation unterscheidet zwischen Leichter und Einfacher Sprache. Für Beide gelten unterschiedliche Vorgaben, wie die Inhalte umgesetzt werden sollten. 

 

Leichte Sprache

Es gibt viele verschiedene Gründe, warum Menschen auf eine Leichte Sprache angewiesen sein können, beispielsweise eine eingeschränkte Sehfähigkeit, geringe Deutschkenntnisse oder Menschen mit motorischen Schwierigkeiten. Für sie ist es wichtig, dass die Texte besonders einfach gehalten werden, ohne Fremdwörter und Schachtelsätze. Für die Leichte Sprache gibt es festgesetzten Regeln und die Inhalte werden von Mitarbeitern verfasst, die sich auf das Thema spezialisiert haben. Im besten Fall werden die Inhalte von einer Zielgruppenperson gegengelesen. 

 

Zu den Merkmalen von in Leichter Sprache geschriebenen Texten gehören:

• kurze, einfach gehaltene Sätze

• viele Zeilenumbrüche und Absätze

• Verzicht auf Abkürzungen und Abstraktionen

• Vermeidung von Fach- und Fremdwörtern

• Erklärung von komplizierten Wörtern 

• lange Wörter werden durch Binde-Striche getrennt 

• Aufzählungspunkte werden zur besseren Lesbarkeit eingesetzt

 

Einfache Sprache 

Bei der Einfachen Sprache werden Menschen angesprochen, die grundsätzliche lesen können, aber Schwierigkeiten mit komplexeren Inhalten haben.  Einfache Texte werden als normale Texte wahrgenommen. 

 

Für die Einfache Sprache gibt es kein Regelwerk, aber Empfehlungen, wie sie eingesetzt werden sollen. Dazu zählen: 

  • Kurze, prägnante Sätze
  • Nur eine Überschrift pro Absatz erstellen. 
  • Satzlänge 15-20 Wörter 
  • Absätze einsetzen. Absatzlänge: 4 Zeilen. 
  • Zeilenlänge 12 Wörter.
  • Aufzählungen einsetzen. 
  • Kein Wissen vorrausetzen und alle relevanten Fragen beantworten. 
  • Schachtelsätze vermeiden. 
  • Mit vielen Beispielen arbeiten. 
  • Mehr aktive als passive Verben verwenden. 

 

Fünf Gründe für eine barrierefreie Sprache 

 

Nicht nur für die Nutzer*innen ist ein barrierefreien Internetauftritt wichtig. Auch Unternehmen und Behörden können hiervon profitieren. 

 

Erhöhung der Reichweite: Mit einer barrierefreien Website, erreichen Unternehmen mehr Nutzer*innen und bauen Ihre Zielgruppe aus. Sie schaffen einen Wiedererkennungwert und stellen sich auf potenzielle Kunden mit Beeinträchtigungen ein. 

Zufriedenheit der Kund*innen: Sie Das Ziel ist es, Bestandkunden zu halten und neue Kund*innen zufriedenzustellen. Leichte sowie Einfache Sprache und eine gute Usability schaffen die beste Voraussetzung. 

Umsatz steigern: Mehr Kunden, mehr Umsatz. Simpel gesagt: Auf einer barrierefreien Website finden sich Nutzer*innen schneller zurecht und kaufen mehr ein. 

Soziale Verantwortung: Seid ein Vorbild für digitale Teilhabe. Zeigt, dass sich soziales und ökonomisches Handeln nicht ausschließen. Ihr verbessert Euer Image und gewinnt das Vertrauen von Kunden in Euere Arbeit. Ihr leistet einen Beitrag für die Gesellschaft. 

Zukunftsfähigkeit: Digitale Teilhabe ist ein oder sogar das Zukunftsthema. Unser Alltag wird immer digitaler und technischer Fortschritt entwickelt sich immer schneller. Unternehmen müssen sich zukünftigen Herausforderungen stellen und allen Menschen einen Zugang zu neuen digitalen Angeboten gewährleisten. 

 

Fazit  

Scrollt Euch durch die Internetauftritten von Banken, Versicherungen und Stadtverwaltungen. Wer bietet Menschen die eine Leichte Sprache an? Ich sage es Euch: Es ist nur ein Bruchteil. Und von denen sind es auch nur Wenige, die die Leichte Sprache prominent auf ihrer Startseite platziert haben. Bei einigen Websites muss der User*innen über die Suche gehen, um zu dem Navigationsbereich mit der Leichten Sprache zu gelangen. Gute barrierefreie Usability gleich Fehleranzeige. 

Warum ist Barrierefreiheit kein fester Bestandteil in der Projektplanung – und Umsetzung? Warum arbeiten Unternehmen und Behörden nicht mit Personen aus der Zielgruppe zusammen und lassen diese Benutzertests durchführen? 

Ohne digitale Teilhabe gibt es keine soziale Teilhabe. Digitale Entwicklungen müssen jedem Menschen zugänglich gemacht werden, damit sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. 

Barrierefreie Websites bedeuten, Barrieren auf Websites zu überwinden bzw. gar nicht erst aufzubauen. Das natürlichste Kommunikationsmittel der Menschen - die Sprache – spielt dabei eine große Rolle. Wer Inhalte nicht in Leichter und Einfacher Sprache anbietet, ignoriert einen Teil der Gesellschaft. 

 

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