In jungen Jahren verwitwet

Verlust, Trauer und Finanzen

In Deutschland leben rund 500.000 Witwen und Witwer zwischen 20 und 50 Jahren. Der überwiegende Teil hat Kinder, die mit dem Tod zu Waisen werden. Einige Familien müssen nicht nur den Verlust bewältigen, sondern geraten auch in finanzielle Nöte. Der Staat fängt davon nur einen kleinen Teil auf. 

Es gibt (k)eine Zeit zum Trauern.

Niemand sollte in die Situation kommen, dass eine Partnerin oder ein Partner stirbt. Kein Kind sollte den Vater oder die Mutter verlieren. Die traurige Wahrheit ist aber, dass in Deutschland rund 500.000 Menschen zwischen 20 und 50 Jahren Witwe oder Witwer sind. 50.000 Kinder und Jugendliche verlieren jährlich einen Elternteil und werden zu Halbwaisen. Bei etwa 1000 Kindern versterben beide Elternteile. Neben der emotionalen Belastung, kommen bei einigen Familien die finanziellen Sorgen hinzu. Der Staat unterstützt die Hinterbliebenen, aber bei vielen Betroffenen fällt die Witwenrente gering aus. Zudem gleicht die Beantragung von Leistungen einem Marathon, an dem viele Menschen verzweifeln. Angehörigen müssen förmlich noch vom Totenbett aus, nicht nur die Beerdigung organisieren, sondern mit Versicherungen, Banken und Rententrägern Kontakt aufnehmen. Ein Kraftakt, zu dem viele Betroffene emotional oft gar nicht in der Lage sind. 

Welche Unterstützung erhalten Hinterbliebene vom Staat?

Ehepartner*innen haben entweder einen Anspruch auf die große Witwenrente oder die kleinen Witwenrente. Finanziell macht es einen großen Unterschied aus, für welche der beiden Renten die Voraussetzungen erfüllt werden. Für beide Witwenrenten gilt, dass die Mindestversicherungszeit (Wartezeit) von fünf Jahren erfüllt sein muss, d.h. es müssen in dieser Zeit Beiträge aus einer Beschäftigung gezahlt werden. Falls der Tod durch einen Arbeitsunfall erfolgte oder die Ehepartnerin oder der Ehepartner bereits eine Rente bezogen hat, ist diese Wartezeit nicht erforderlich.

 

Große Witwenrente

Die große Witwenrente wird erteilt wenn die Witwe oder der Witwer entweder 

  • erwerbsgemindert ist
  • oder ein Kind erzieht, das nicht älter als 18 Jahre alt ist.  Bei einer Behinderung des Kindes, wird die Rente unabhängig vom Alter des Kindes gezahlt.
  • oder das Anspruchsalter für die große Hinterbliebenenrente erreicht ist. Die Altersgrenze für Witwen- und Witwerrente erhöht sich jährlich um einen Monat vom 45. Lebensjahr an. Wenn die Partnerin oder der Partner beispielsweise 2023 verstorben ist, ist ein Antragsalter von 46 Jahren erforderlich. Im Jahr 2024 sind es bereits 46 Jahre und zwei Monate.

Für Todesfälle ab dem Jahr 2029 gilt dann nur noch die Altersgrenze von 47 Jahren, um die große Witwen- bzw. Witwerrente zu erreichen.

 

Wie hoch fällt die Rente aus?

Wenn die Eheschließung vor 2002 lag und die Ehepartnerin oder der Ehepartner vor dem 02.01.1962 geboren wurde, gilt das alte Recht und es werden 60 Prozent der Altersrente oder der Rente wegen Erwerbsminderung ausgezahlt, die die Verstorbenen zum Zeitpunkt des Todes erhalten hätte. Trifft dies nicht zu, liegt der Anspruch nur bei 55 Prozent. Die große Hinterbliebenenrente wird unbegrenzt bezahlt.

Viele junge Witwen und Witwer erfüllen die Voraussetzung für die große Witwenrente nicht, da sie das Anspruchsalter nicht erreicht haben. Für sie wird dann nur die kleine Witwenrente gezahlt, die deutlich niedriger ausfällt.

 

Kleine Witwenrente

Die kleine Witwenrente erhalten Hinterbliebene, wenn sie:

  • jünger als 45 bzw. 47 Jahre alt sind
  • wenn sie nicht erwerbsgemindert sind
  • kein Kind erziehen.

Die kleine Witwenrente beträgt 25 Prozent der Altersrente oder Erwerbsminderungsrente, die die Verstorbenen zum Zeitpunkt des Todes bezogen hat oder hätte. Die kleine Witwenrente wird höchstens für zwei  Jahre nach dem Todeszeitpunkt gezahlt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Hinterbliebene nach dieser Übergangszeit selbst für Ihren Lebensunterhalt sorgen können. Wenn die Ehe vor 2002 geschlossen und die Ehepartnerin oder der Ehepartner vor dem 02.Januar 1962 geboren wurde, wird Rente unbegrenzt gezahlt. 

Was erhalten Waisen?

Durchschnittlich beträgt die Halbwaisenrente eines Kindes (Stand:2022) 213 EUR, bei einer Vollwaisenrente 412 EUR. Anders als beim Bürgergeld oder bei Unterhaltsleistungen ist der Betrag nicht nach Alter gestaffelt, d.h. die finanzielle Leistung erhöht sich nicht, egal ob das Kind beispielsweise fünf oder 14 Jahre alt ist. Dabei steigen die Ausgaben umso älter das Kind ist. Je nach Alter besteht ein Unterhaltsbedarf von 400 bis 900 EUR.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass – anders als beim Bürgergeld oder den Unterhaltszahlungen - das Kindergeld nicht auf die Rente angerechnet wird. Bei der Festsetzung der Bafög-Leistungen sieht die Sache schon anders aus. Auf Antrag wird die Leistung noch bis zum Abschluss der Ausbildung (längstens bis zum 27.Lebensjahr) gezahlt, aber die Waisenrente wird als Einkommen (abzüglich eines Freibetrages von 255 EUR) angerechnet. 

Armutsrisiko jung verwitwet

Junge Hinterbliebene mit Kindern sind besonders häufig von Armut bedroht, denn die Verstorbenen haben noch nicht viele Rentenpunkte erworben. Die Folge ist, dass die Witwe – oder Witwerrente so gering ausfällt, dass sie häufig unterhalb des Existenzminimums liegt. Je nach Beruf und Qualifikation ist auch das eigene Einkommen noch nicht besonders hoch, da in den meisten Fällen das Gehalt erst mit entsprechender Berufserfahrung steigt.

Hinzu kommt: Einkommen wird auf die Rente angerechnet und kann zu einer Kürzung der Hinterbliebenenrente führen. Der Freibetrag liegt bei 950,93 Euro im Westen und 937,73 Euro im Osten. Ist das Einkommen höher als dieser Freibetrag, werden die übersteigenden Einkünfte zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet. Je Kind erhöht sich der Freibetrag um 201,71 Euro. Als Einkommen gilt auch Elterngeld. Für junge Hinterbliebene mit Kindern könnte das eine wichtige Rolle spielen und den zur Verfügung stehenden monatlichen Betrag nochmals verringern. 

So niedrig fällt die durchschnittliche Rente aus.

Ausgehend von der großen Hinterbliebenenrente erhielten Frauen im Jahr 2022 durchschnittlich nur rund 700 EUR. Bei den Männern waren es 350 EUR.

Die Rente für Witwen und Witwer muss versteuert werden. Für Personen, die nach dem 31.12.2004 verstorben sind, beträgt der Anteil 50%, bei Rentenbezieher: innen nach 31.12.2011 sind es 60%.

Auch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge werden noch fällig. Wie hoch die Beiträge ausfallen, richtet sich nach der Höhe der Rente. Immerhin fallen Witwen und Witwer unter die Bezugsgruppe der Rentner*innen. Das bedeutet, dass sie Anspruch auf die allgemeinen Rentenerhöhungen haben. In diesem Jahr soll die Rente auf 4,57 Prozent steigen. 

Verheiratet, aber trotzdem nicht alle Rechte.

„Ich stand am Bankautomat und konnte kein Geld abheben“. „Ich wusste nicht, wo die Versicherungsunterlagen aufbewahrt waren“. „Wir hatten kein Testament“.

Leider gibt es immer noch zu viele Menschen die glauben, dass sie aufgrund der Heirat alles entscheiden können und bekommen werden. Das ist nicht richtig.

 

Beispiel Erbe

Ohne Bankvollmacht haben auch Ehepartner*innen keinen Zugriff auf das Konto ihres Ehepartners oder ihrer Ehepartnerin. Erst mit Ausstellung des Erbscheins durch ein Gericht, kommt man wieder an das Konto ran. Die Ausstellung des Erbscheins kann einige Wochen in Anspruch nehmen. Sprich: Im schlimmsten Fall stehen die Hinterbliebenen ohne Geld da.

 

Beispiel Gesundheit

Gesundheit wird vom Gesetzgeber als hohes Gut angesehen. Das bedeutet, dass sie ohne eine Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht nur wenig Mitspracherecht bei schweren Krankheiten haben. Liegen die Dokumente nicht vor, wird das Betreuungsgericht hinzugezogen, die beispielsweise über den Wohnort des Patienten entscheiden darf, wenn dieser aufgrund schwerer Krankheit nicht mehr in der Lage ist. Das Gericht bestimmt eine Betreuer*in. In den meisten Fällen wird die Betreuung auf den Ehepartnerin oder den Ehepartner übertragen. Dem Gericht steht es jedoch auch zu, einen anderen Betreuer oder eine Betreuerin zu übertragen. Neben der gesundheitlichen Betreuung prüft das Gericht, ob die finanzielle Situation von der oder die Angehörigen mit bestem Wissen verwaltet werden. Die Konsequenz ist, dass in regelmäßigen Abständen Vermögenswerte, Einkommen und Ausgaben offengelegt werden müssen. Neben dem allgemeinen Papierkram ein zusätzliches Tod-do was im Alltag Zeit frisst und vermeidbar wäre. 

Wir sichern unser Haus und unser Auto ab. Aber nicht Unsere Familien.

Es ist verständlich, dass sich niemand mit dem Tod oder einer schweren Krankheit beschäftigen möchte. Aber das Leben ist nicht immer planbar. Jeder sichert Gegenstände wie das Auto oder das Haus ab. Wir versichern uns gegen den Verlust von Gepäck im Urlaub, gegen den Diebstahl unseres Fahrrads und schützen uns vor zu hohen Zuzahlungen bei einer Zahnbehandlung. Aber unsere Hinterbliebenen, mit denen wir unser Leben verbracht haben, lassen wir in einer völligen Ausnahmesituation mit den finanziellen und organisatorischen Sorgen zurück. Wir nehmen uns jeden Tag Zeit für Social Media und Streaming Dienste. Aber wir nehmen uns keine Zeit, die wichtigsten Menschen in unsere Leben abzusichern.

 

Jetzt handeln: Es gibt viele Adressen, wo entsprechende Dokumente ausgedruckt oder online ausgefüllt werden können, beispielsweise beim Bundesamt für Justiz oder der Verbraucherzentrale. Mustervorlagen und weitere Informationen zum Thema Testament und Erben gibt es auf pflege.de.

 

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